Bregenzer

Festspielzeit

blaue illustrierte Wellen
Aktualisiert am 26. Juli 2025

Text: Babette Karner
Der Text erschien in Ausgabe 4 (07/25).

Lesezeit 3 Min.

Von Geschick, Geschichten und Gesichtern

Mit Feingefühl, handwerklichem Geschick und viel Erfahrung verleiht Chefmaskenbildnerin Frauke Gose Opernfiguren ein Gesicht – und gestaltet im Verborgenen, was auf der Bühne sichtbar wird.

Frauke Gose, Chefmaskenbildnerin bei der Arbeit an den Teufelshörnern für Samiel in "Der Freischütz"

In der Theaterwelt gilt ein altes Credo: Wenn in Kritiken über die Maske gesprochen wird, stimmt meistens etwas mit der Inszenierung nicht. Denn Maskenbildner:innen arbeiten im Verborgenen: Nur wenn Perücken verrutschen oder Bärte fehlen, werden sie wahrgenommen. Frauke Gose, Chefmaskenbildnerin der Bregenzer Festspiele, lebt gerne in dieser Unsichtbarkeit. Dennoch prägt sie den Prozess entscheidend mit, wenn Opernfiguren Gestalt annehmen. Mehr als drei Jahre vor jeder Seebühnenpremiere arbeitet sie von Beginn an eng mit Regie, Kostümbildner:innen und Bühnentechniker:innen zusammen, um den Stil und das detaillierte Aussehen einer neuen Festspielproduktion mit zu entwerfen.

Als Chefmaskenbildnerin verantwortet Frauke Gose, die seit den frühen 1990er-Jahren jeden Sommer von Berlin nach Bregenz zieht, alles, was sich auf den Köpfen und in den Gesichtern der Figuren abspielt: Make-up und Perücken, Bärte und Haarteile, dazu unzählige Spezialeffekte. Organisatorisch ist sie für die komplette Logistik zuständig: Planung, Materialbeschaffung, Probenphasen, Saisonaufbau und Koordination. Ihr Team trägt in jedem Festspielsommer maßgeblich zum Gelingen der Produktionen bei. Vor allem auf der Seebühne ist dafür sehr spezielles technisches Know-how erforderlich: „Hier draußen sind wir sehr vom Wetter abhängig. Auch bei feuchter Luft oder gelegentlichen Regenschauern müssen Schminke, Maskenteile und Perücken perfekt halten.“

„Ein Drittel unseres Abenddienstes ist Psychologie“

Für das Team der Festspiel-Maskenabteilung bedeutet eine Opernvorstellung auf der Seebühne, mehr als vier Wochen lang beinahe jeden Abend über hundert Solist:innen, Chorist:innen, Stuntleute und Statist:innen nicht nur zu schminken und zu frisieren, sondern sich auch um die Pflege und Aufbewahrung der Perücken und des Kopfputzes zu kümmern. Die Perücken und Masken gelangen auf eigenen Wagen vor der Vorstellung zur See-Hinterbühne, wo Chor und Statisterie zurechtgemacht werden. 

Chefmaskenbilnerin Frauke Gose mit Ringlicht am Perückenknüpfen

Viele Stunden Handarbeit stecken in den Werken der Maskenabteilung. 

„Wir gehen sehr sorgsam mit unseren Stücken um“, sagt Frauke. „Man weiß nie, wann man all diese wertvollen, handgemachten Einzelanfertigungen wieder brauchen kann.“ 

 

„Gute Maskenbildner:innen verbinden gestalterisches Talent mit praktischem Geschick und einem feinen Gespür für Menschen”, sagt Frauke Gose. „Unsere Arbeit beginnt nicht mit dem Schminken, sondern mit Aufmerksamkeit: Wir nehmen Stimmungen wahr und achten darauf, was unausgesprochen bleibt. Ein Drittel unseres Abenddienstes ist Psychologie.“

Mit Beharrlichkeit zum Traumberuf

Frauke Gose ist in den 1980er-Jahren in West-Berlin aufgewachsen. Schon als Teenager wusste sie, dass sie Maskenbildnerin werden wollte – und zwar für das Theater, nicht für Mode oder Kosmetik. Doch der Weg dorthin war steinig: Ausbildungsplätze waren rar und ohne familiäre Theaterverbindungen schwer zu bekommen. Das Studium an einer renommierten Schule in Dresden scheiterte für die West-Berlinerin an der Mauer. Auch zahlreiche Bewerbungen bei Berliner Theatern blieben erfolglos. Also absolvierte sie zunächst eine Friseurlehre, damals ohnehin eine Voraussetzung für den Beruf der Maskenbildnerin.

Erst eine Chiffre-Anzeige in einer Zeitung brachte sie schließlich ihrem Traum näher: „In der Annahme, dass ich mich bei Ihnen bereits mehrfach beworben habe, bewerbe ich mich hiermit erneut", schrieb sie damals an das Renaissance-Theater in Berlin. Das war keck, beharrlich – und erfolgreich. Ab dem 1. Januar 1990 wurde das Theater zu ihrer Lehrstätte. Schon bald wurde ihr dort viel Selbstständigkeit abverlangt, wie Gose erzählt: „Meine Ausbildung war geprägt von hoher Eigenverantwortung, Improvisation und Lernbereitschaft meinerseits.“

Schon während ihrer Lehre sammelte Frauke Gose außerdem praktische Erfahrung beim Film, in der Werbung und an verschiedenen Bühnen. 1994 kam sie schließlich über Umwege – und dank einer Empfehlung – erstmals zu den Bregenzer Festspielen. Dort übernahm sie bald eine leitende Position, führte Teams und verantwortete schließlich in den Jahren 1997/98 das Maskenbild für das Spiel auf dem See Porgy and Bess.
 

Die Hörner von Teufel Samiel aus "Der Freischütz" auf einer Puppe, zwei Hände arbeiten an den Haaren

Goses Zugang zu ihrem Beruf ist geprägt von einem tiefen Respekt gegenüber der Individualität aller Darstellenden. Hautton und Gesichtsform, Anforderungen an die Bewegungen – all das muss bedacht werden, um auf der Bühne ein stimmiges Gesamtbild zu schaffen, mit dem sich die Darsteller:innen wohlfühlen. Und auch wenn es nur ein Bruchteil dessen, was sie kreiert, am Ende auf die Bühne schafft: Frauke Gose liebt das Experimentieren und die Improvisation. Wissbegierig steht sie neuen Ideen stets offen gegenüber und ist immer auf der Suche nach Materialien und Techniken, mit denen sich Geschichten im Gesicht eines Menschen erzählen lassen.