Bregenzer

Festspielzeit

blaue illustrierte Wellen
Aktualisiert am 26. Juli 2025

Das Gespräch führte Kathrin Grabher.
Der Text erschien in Ausgabe 4 (07/25).

Lesezeit 3 Min.

Zombietest im Hallenbad

Wie künstlerische Ideen und szenische Umsetzung bei den Freischütz-Proben zusammenfinden – und von der Kunst, nicht durch und durch perfekt zu sein.

Zombi mit roten Zöpfen und schwarzem Kleid im Bühnenbild "Der Freischütz"

Was noch nie da war, muss man erst einmal ausprobieren: Die Inszenierungen auf der Seebühne erfordern präzise Planung, kreative Lösungen und Mut zum Versuch. 

Wer im Theater arbeitet, lebt oft zwischen den Zeiten. In einer eigenen Welt aus Masken, Kostümen und Fantasie – in Bregenz aktuell irgendwo um 1650 – kümmert man sich um eine magische Wolfsschlucht, spachtelt Risse im Mond und hegt ein Skelettpferd, dem die Winterpause nicht gut bekommen ist.

Und dann gibt es Tage, an denen sich der Theaterzauber der Realität stellen muss – beispielsweise in den Bauproben. Hier geht es um die handfesten Dinge: Ist der Bodenbelag rutschfest genug? Funktioniert der lodernde Feuerkreis wie geplant? Und wie verhalten sich Kostüme und Perücken, wenn die Darsteller:innen mit ihnen tauchen?

Um für den Freischütz unter anderem Letzteres zu testen, rückte das Team der Bregenzer Festspiele im November 2023 ins benachbarte Hallenbad aus. Im Gepäck statt Poolnudeln und Schwimmflügeln: weite Röcke, ein roter Kunstlederanzug und schauerliche Geistermasken. „Wir wollten wissen, ob die Darsteller:innen Gewichte brauchen, damit sie in der Lagune des Bühnenbilds mühelos abtauchen und verschwinden können“, erklärt Ausstattungsleiterin Susanna Boehm.
Auch nach 30 Jahren Erfahrung bei den Bregenzer Festspielen ist ihr die Freude an diesen skurrilen Momenten ihrer Arbeit anzumerken. Während also ein Statist als Zombie durch das Becken planschte, gaben Boehm und das Team rund um Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl Anweisungen und machten Notizen. Und das Ergebnis? „Perfekt“, so Boehm. „Wir haben mit verschiedenen Gewichten experimentiert und überlegt, wie wir sie in die Kostüme integrieren könnten. Erfreulicherweise stellte sich später heraus, dass es mit ein wenig Routine ganz ohne Hilfsmittel klappt.“ Auch die Zombiemasken und Perücken hielten der Taufe weitestgehend stand.

Gute Vorbereitung ist alles – auch, oder ganz besonders, am Theater. Und dennoch zeigen sich manche Herausforderungen erst in der regulären Probenzeit, wenige Wochen vor der Premiere. Oder hätten Sie gewusst, dass Rollerblades auf einer Acrylglasplatte quietschen – aber nur, wenn Sie kleine Kurven fahren?

Frau mit rotem Zopf und türkisem Kleid auf Schlittschuhen im Bühnenbild "Der Freischütz"

„Wir hatten ursprünglich geplant, beide Figuren in Rollerblades auf die Bühne zu schicken“, erzählt Susanna Boehm über die Szene, in der Max und Agathe sich in einem Rückblick beim Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen Weiher begegnen. Gespielt wird die Szene von zwei Stunt-Doubles, die nicht nur sicher auf den Rollen stehen, sondern auch das Spiel der vorsichtigen Annäherung glaubhaft verkörpern sollten. „Die Kostümabteilung hat die Rollen mit Kufen verkleidet – das sah auf Anhieb überzeugend aus“, sagt Boehm. Insgesamt fast zu überzeugend: „Die Choreographie der beiden Stunts wirkte so souverän und gekonnt … es fehlte etwas von der Unsicherheit, die diese Szene eigentlich so berührend machen sollte.“ Auch das Quietschen der Rollen auf dem Bühnenboden war ein Problem – und so gar nicht passend in einem der leisesten und gefühlvollsten Momente der Oper.

Mann und Frau auf Inlineskates machen eine Hebefigur im Bühnenbild "Der Freischütz"

Nach mehreren Überlegungen fand schließlich die Regie eine Lösung – und passte die Szene leicht an: Max trägt keine Schlittschuhe mehr, nur Agathe gleitet unsicher auf Kufen über den Teich. Sie stößt sich vorsichtig von einem Baum ab, fährt auf Max zu und lässt sich von ihm behutsam über den Weiher ziehen. Was wie ein unbeholfenes Kennenlernen eines jungen Paares wirkt, ist das Ergebnis bewusster gestalterischer Entscheidungen – und ein Beispiel dafür, wie künstlerische Ideen und ihre technische Umsetzung auf der Bühne Hand in Hand gehen.

Einblick: Stunts