Das Gespräch führte Thea Plath.
Der Text erschien in Ausgabe 3 (06/25).
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„Das habe ich in einem Opernhaus noch nie erlebt“
Wenn eine Sopranistin durchs Wasser watet und sich über Spinnen auf der Bühne freut, dann kann es nur die Bregenzer Seebühne sein: Als Agathe war Mandy Fredrich im vergangenen Freischütz-Sommer erstmals auf der großen Freilichtbühne zu erleben – 2025 kehrt sie zurück. Ein Gespräch über herausfordernde Proben, ihre Lieblingsmomente in der Inszenierung und darüber, wie sich eine Rolle mit jeder Aufführung weiterentwickelt.

Gut gesichert in Agathes schwebendem Bett: Mandy Fredrich bei den Proben
Die Bregenzer Festspiele blicken auf einen sehr erfolgreichen Sommer 2024 zurück. Es war Ihre erste Saison auf der Seebühne, nachdem Sie bereits zweimal in der Oper im Festspielhaus mitgewirkt hatten – 2017 in Gioachino Rossinis Moses in Ägypten und zwei Jahre zuvor in Jacques Offenbachs Hoffmanns Erzählungen. Wie unterscheiden sich das Festspielhaus und die Seebühne in Bezug auf Ihre Arbeit als Sängerin?
Mandy Fredrich: Das ist ein wirklich großer Unterschied. Die Spielstätten sind völlig anders, vor allem ist die Seebühne viel größer. Man bewegt sich mehr und braucht eine ganz andere Aktivität. Als Agathe singe ich viele lange, ruhige Phrasen, die einen stetigen Atem erfordern – dabei dann noch auf das Bett zu steigen, quer durchs Wasser zu waten, auf den Hügel und wieder runterzufinden … das ist herausfordernd. Hinzu kommt das unberechenbare Wetter. Eine persönliche Freude von mir sind die Tiere auf der Bühne – ganz besonders die Spinnen, die mir manchmal sogar während der Vorstellung einen kurzen Schrecken einjagen. Das habe ich in einem Opernhaus noch nicht erlebt.
Auch musikalisch ist die Seebühne besonders: Das Ensemble steht nur über Monitore mit der musikalischen Leitung in Kontakt, das Orchester wird über Lautsprecher auf die Bühne übertragen. Anders als in einem Opernhaus werden die Sänger:innen mit Mikrofonen verstärkt. Wie geht man mit diesen speziellen Bedingungen um?
Das ist tatsächlich eine große Umstellung, weil man nicht die Akustik eines geschlossenen Raumes hat und sich selbst auf ungewohnte Weise über Lautsprecher hört. Wir lernen im Studium, die Stimme in den Raum zu schicken – und der fehlt auf der Seebühne. Man muss darauf vertrauen, dass über das Mikrofon alles rüberkommt, was man „senden“ möchte. Auch für das Timing mit dem Orchester muss man erst ein Gefühl entwickeln, denn es gibt sowohl über die Bildmonitore als auch über die akustischen Monitore eine technisch bedingte Verzögerung. Darin werden wir mit jeder Vorstellung besser.

680 Quadratmeter Hügellandschaft und ein Wasserbecken, mit einem Fassungsvermögen von 3.200 Badewannen – die Seebühne bietet Sänger:innen stets außergewöhnliche Erlebnisse.
Als Agathe waren Sie bereits an der Staatsoper Stuttgart engagiert. Gibt es etwas, das Sie an Philipp Stölzls Interpretation dieses Charakters besonders spannend finden?
Was ich sehr schön finde, ist Agathes Lebendigkeit. Sie ist eine lebenslustige Frau, die sich zwar viele Sorgen macht, aber die übertriebene Frömmigkeit und Passivität hinter sich lässt, auch aktiv Entscheidungen trifft. Interessant ist sicherlich die Beziehung zwischen Agathe und Ännchen. Die Frage, ob sie sich nun in Ännchen verliebt oder nicht und wie das Ende zu interpretieren ist, beantwortet jede von uns Agathe-Sängerinnen anders. Und die Sichtweise auf das Stück verändert sich, wenn man es mehrfach durchlebt. Man entdeckt dabei immer wieder neue Ansätze und Deutungsmöglichkeiten.
Haben Sie einen Lieblingsmoment in dieser Inszenierung?
So richtig freue ich mich immer auf den Moment, wenn wir angetrunken aus dem Wirtshaus kommen, über die Bühne torkeln und einfach Spaß zusammen haben. Meine musikalischen Glanzmomente habe ich an anderen Stellen – etwa meine Arie auf dem „fliegenden“ Bett. Auch die bringen mir natürlich viel Vergnügen, aber in der Wirtshaus-Szene kommen Agathes Lebensfreude und ihre Leichtigkeit so richtig zur Geltung. Auch deshalb mag ich diese Stelle so gern.
Was war für Sie der entscheidende Beweggrund für einen weiteren Sommer in Bregenz, worauf freuen Sie sich besonders?
Ich bin den Bregenzer Festspielen in gewisser Weise treu und komme immer gerne wieder – allein schon für die Gegend, die tolle Work-Life-Balance und die Möglichkeit, die Familie zumindest eine gewisse Zeit bei mir zu haben. Vor allem bin ich aber gespannt, was sich im zweiten Jahr womöglich verändern wird, wo Philipp Stölzl eventuell nochmal nachjustieren wird. Ich mag diesen Werkstattcharakter, der gerade bei diesem Stück spannend ist.

Zu Probenbeginn hatten Sie vor allem Textproben mit Jan Dvořáks neu geschriebener Dialogfassung. Wie gefällt Ihnen diese besondere Mischung aus Text und Musik im Bregenzer Freischütz?
Gerade in den Dialogen bringen wir unsere eigenen Nuancen ein, hier merkt man den größten Unterschied zwischen den Besetzungen. Der Text soll die Figuren in erster Linie moderner und nahbarer machen. Das ruft unterschiedliche Reaktionen beim Publikum hervor; uns Sänger:innen geben die Dialoge viel Spielraum, unseren Charakter und unsere Rolle zu präsentieren.
Der Freischütz steht erneut 27-mal in drei wechselnden Besetzungen auf dem Spielplan. Wie funktioniert die Arbeit mit so vielen Kolleg:innen, gerade während der Probenzeit?
Fünf Wochen Probenzeit für eine Inszenierung auf dieser besonderen Bühne, die viel Bewegung verlangt, viel Sprechtext hat und an der auch Stuntleute beteiligt sind, waren recht knapp, und wir haben im Vergleich zu herkömmlichen Produktionen verhältnismäßig wenig einzeln geprobt. Die unterschiedlichen Besetzungen bieten aber auch viel Raum für kreativen Austausch, Abwechslung und natürlich Entlastung für uns alle.
Verändert sich die Dynamik im Zusammenspiel über die Vorstellungszeit hinweg?
Eigentlich sind wir – Agathe, Ännchen, Max, Kaspar – durchgehend in drei feste Teams aufgeteilt. Als ich bei einer Vorstellung einmal mit einem anderen Max auf der Bühne stand, wurde mir bewusst, wie sehr sich innerhalb der Besetzungen bestimmte Dinge „einschleifen“ – die an diesem Abend dann eben ein wenig anders liefen. Jede:r hat eine andere Körpersprache und setzt eigene Akzente, die sich mit der Zeit etablieren und
festigen. Insofern entwickelt sich nach und nach schon eine Art Eigendynamik innerhalb der Teams.
Welche Projekte standen bei Ihnen zwischen den Festspielsommern 2024 und 2025 an?
Witzigerweise ging es nach Bregenz direkt weiter als Agathe, an die Staatsoper Stuttgart zur Wiederaufnahme des Freischütz. Die Proben dafür liefen parallel zu den Festspielen an und ich bin, ehrlich gesagt, manchmal durcheinandergekommen mit der Bregenzer Version und den Original-Dialogen. Das war sehr spannend zu vergleichen. Außerdem ist meine neue CD Traumglück mit Liedern von Gabriel Fauré, Dora Pejačević, Pauline Viardot-Garcia und Richard Strauss erschienen, ich war für Konzerte in Duisburg, Palermo und Hamburg, im März für Così fan tutte in Tokyo. Jetzt im Mai habe ich im La Seine Musicale in Paris und im Musikverein Wien die Peri in einer szenischen Version von Robert Schumanns Das Paradies und die Peri gesungen, eine tolle Produktion gemeinsam mit dem Insula Orchestra. Es war also eine volle Zeit mit schönen Aufgaben – und eine gute Mischung aus allem.
Ich mag diesen Werkstattcharakter, der gerade bei diesem Stück spannend ist.

Bevor sie den Sprung auf die Bühne wagte, arbeitete Mandy Fredrich zehn Jahre lang als Mediengestalterin Bild und Ton beim Fernsehen. Parallel dazu studierte sie zunächst Gesangspädagogik in Berlin und wechselte schließlich ins Opernfach, mit 29 Jahren stand sie erstmals auf der Bühne. Ihren großen Durchbruch feierte die Sopranistin als Königin der Nacht (Die Zauberflöte) bei den Salzburger Festspielen unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt. Heute ist Fredrich auf den internationalen Bühnen zu Hause und widmet sich neben der Oper mit Leidenschaft dem Konzert- und Liedgesang.