Bregenzer

Festspielzeit

blaue illustrierte Wellen
Last change on 14. August 2025

Text: Christa Dietrich

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Ein gemeinsam geschaffenes Werk, das ein Leben lang beschäftigen kann

Die drei US-amerikanischen Musiker des Streichtrios Time for Three haben vor einer der letzten Proben für die Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen Fragen zur Produktion Emily — No Prisoner Be beantwortet.

Bühnenbild mit hängenden weißen Stoffbahnen, Musiker mit Streichinstrumenten und eine Person in weißem Kostüm in der Mitte

Es geht in den Gedichten von Emily Dickinson um Selbstermächtigung, es geht darum, sich von Vorurteilen und Stigmatisierung zu befreien, für sich selbst einzustehen sowie die eigenen Werte und Gefühle gegenüber anderen zu vertreten, deshalb haben wir beschlossen, die gesamte Produktion Emily — No Prisoner Be zu nennen.

Time for Three

Wir, das sind in diesem Fall so berühmte Persönlichkeiten wie die Mezzosopranistin Joyce DiDonato, der Komponist Kevin Puts, der Regisseur und Tenor Andrew Staples und die Mitglieder des Streichtrios Time for Three, nämlich Nick Kendall, Charles Yang und Ranaan Meyer. Die drei US-amerikanischen Musiker haben vor einer der letzten Proben für die Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen Fragen zur Produktion beantwortet.

Während im deutschsprachigen Raum vielen zumindest der Name der Schriftstellerin Emily Dickinson (1830-1886) und einige aufschlussreiche Zitate bekannt sind sowie die Tatsache, dass sie auch in ihrem Leben in Zurückgezogenheit in Massachusetts gegen gesellschaftliche Konventionen rebellierte, hält Nick Kendall fest, dass er wie viele Menschen in den USA, seit der Schulzeit mit ihren Texten vertraut ist. Allerdings ermögliche ihm dieses Projekt nun viel tiefer in ihre Welt einzutauchen: „Als Künstler:innen und als kreativ tätige Menschen, die nicht nur Musik machen, sondern auch eigene Texte schreiben, erleben wir, welch unglaubliche Bilder und Gefühle die magischen Worte von Emily Dickinson hervorrufen.“ Ranaan Meyer betont die Aktualität der Texte, deren Erhalt für die Nachwelt der Schwester von Emily Dickinson zu verdanken ist, die, so Kendall, „eine ganze Truhe voll mit unveröffentlichten Werken gefunden hat, die erst geordnet werden mussten“.

Als zeitgemäß erachten Nick Kendall, Charles Yang und Ranaan Meyer diese Literatur aus dem 19. Jahrhundert vor allem auch deshalb, weil sie mit Gefühlen und Aspekten des Lebens konfrontiert, mit denen sich „jeder identifizieren kann, die jeder auf die eine oder andere Weise erlebt, wenn er versucht, seinen Weg zu finden und sich dabei damit auseinandersetzt, wie er von der Gesellschaft gesehen wird“.

Composer Kevin Puts seated at a table, looking thoughtfully to the side with an open musical score in front of him.

The US-American composer Kevin Puts, awarded with the Pulitzer-Prize for Music, multiple Grammy winner Joyce DiDonato and Time for Three, a trio that defies all musical conventions, look at Emily Dickinson’s poetry from a new perspective.

Mit Kevin Puts (geb. 1972 in St. Louis) haben die Musiker von Time for Three bereits früher zusammengearbeitet. Das Werk Contact hat der Komponist, der für seine Oper Silent Night mit dem Pulitzer Prize of Music ausgezeichnet wurde, eigens für das Trio geschrieben. Charles Yang: „Das war ein gemeinschaftliches Zusammenwirken. Wir trafen uns persönlich und per Video-Call, um das Werk zu kreieren. Danach fühlte es sich so an, als ob wir sein Vokabular kennen und er definitiv das unsere.“

Nick Kendall und Ranaan Meyer erläutern die aktuelle Zusammenarbeit damit, dass Kevin Puts in seiner kompositorischen Arbeit auf die individuelle Spielweise der beiden Geiger und des Kontrabassisten einging. „Als der erste Entwurf kam, war das bereits eine großartige Grundlage für das, was diese Produktion werden würde. Wir haben sozusagen in einer Aufnahmesession herausgefunden was gut funktioniert. Es war wirklich interessant, all diese Gedichte zu finden, die unterschiedlichen Emotionen einer Person, die wir alle fühlen können, und es ist fantastisch, einen Komponisten zu haben, der seine Sicht auf diese Gedichte aufnimmt und in Musik umsetzt.“

Aus den rund 1700 Gedichten, die Emily Dickinson hinterlassen hat, habe Kevin Puts mit großer Sorgfalt jene für diese Produktion ausgewählt, die die Aktualität ihres Schaffens verdeutlichen und gemeinsam habe man einen Weg gefunden, die Tiefgründigkeit der Themen zu vermitteln. Die Verbindung von Texten und Musik ermögliche es, so Ranaan Meyer, nach und nach immer mehr zu entdecken. Mit den Gedichtzeilen „They shut me up in Prose – As when a little Girl They put me in the Closet – Because they liked me „still” (In Prosa sperren sie mich ein, wie einst als kleines Kind, welches, um still zu sein, im Schrank sich wiederfind’t) habe Puts sozusagen die Bühne bereitet für weitere Sujets im Werk von Emily Dickinson.

Porträt von Joyce DiDonato mit kurzem, blondem Haar, dezentem Make-up und einem grauen Schal um den Hals vor hellem Hintergrund

Die mehrfache Grammy-Gewinnerin Joyce DiDonato wird im Festspielsommer 2025 in Emily – No Prisoner Be zu erleben sein. 

Kevin Puts hat die Musiker mit der Mezzosopranistin Joyce DiDonato bekannt gemacht, die bereits die Rolle der Virginia Woolf in seiner Oper The Hours sang. Alle drei erzählen, wie nervös sie vor der ersten Begegnung mit dem Superstar der Opernwelt in New York waren. Die völlig unkomplizierte Art der Künstlerin habe das Eis aber schnell zum Brechen gebracht. „Es war ein wundervolles Treffen. Joyce DiDonato erklärte uns, dass es in der Welt der Oper sehr wenig Raum zum Experimentieren gibt und dass sie sich bei der Arbeit mit uns sehr wohl fühlt, weil wir daran gewöhnt sind, zu jammen und uns daher gemeinsam Dinge ausdenken und entwickeln können, die sich Kevin Puts dann notiert hat.“

Musikalisches Trio time for Three mit drei Männern, einer hält einen Kontrabass, zwei halten Violinen, in einem Raum mit roher Wand und Fenster

Das Streichtrio Time for Three ist damit bekannt geworden, dass es verschiedene Musikformen von Klassik bis Rock und Jazz erkundet, im Jahr 2023 gewann das Trio einen Grammy für Letters for the Future. Als Instrumentalisten und Sänger lieben sie es, wie sie eigens betonen, Werke wie nun Emily — No Prisoner Be zu spielen, „Werke, die von etwas handeln, das ein Leben lang beschäftigen kann, für das man lange braucht, um es zu verstehen“. Die Musik von Kevin Puts sollte man, wie sie erklären, am besten gar nicht mit jener anderer Komponisten vergleichen: „Sie ist einzigartig, manchmal farbenfroh, zugänglich und es ist besonders schön, dass sie neben Themen von Emily Dickinson auch die Persönlichkeit der Interpreten und vor allem der Mezzosopranistin Joyce DiDonato widerspiegelt.“

Nick Kendall, Charles Yang und Ranaan Meyer haben in Emily — No Prisoner Be nicht nur den Part der Instrumentalisten, neben ihren Rollen als Geiger, die auch einmal zur Bratsche greifen sowie als Kontrabassist sind sie auch Percussionisten, unterstützende Vokalisten und zudem Akteure. Mit einem Regisseur wie Andrew Staples zu arbeiten, „der auch ein großartiger Tenor ist und mit Lichteffekten umzugehen weiß“, bezeichnen die Musiker als weiteren Glücksfall. Ranaan Meyer: „Er arbeitet subtil und er versteht es sehr gut, die wichtige Funktion der Musik als Kommunikations- und Ausdrucksmittel nicht einzuschränken.“