Das Gespräch führte Anke Rauthmann.
Der Text erschien in Ausgabe 1 (11/25).
Reading time 4 Min.
In Freundschaft gewachsen
Seit ihrer Gründung werden die Bregenzer Festspiele von engagierten und leidenschaftlichen Menschen gestaltet. Dazu zählen auch die Mitglieder des Vereins der Freunde der Bregenzer Festspiele, dessen Vorsitz Judith Salzmann innehat. Im Interview spricht sie über die Bedeutung des Vereins, seine Anfänge und die Lust auf künstlerische Herausforderung.

Was genau ist der Verein der Freunde der Bregenzer Festspiele?
Judith Salzmann: Wir verstehen uns als Teil der Festspiele – nicht als externer Förderverein. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Bürger:innen aus Bregenz und Umgebung die erste Festspielproduktion selbst auf die Beine gestellt. 1946 war das Mozarts Bastien und Bastienne – gespielt auf zwei Kieskähnen. Daraus ist unser Verein entstanden, der die Festspiele bis 1989 auch selbst getragen hat. Erst danach wurden die GmbH und später die Stiftung gegründet, an der wir noch heute zu 40 Prozent beteiligt sind.
Und wer sind die „Freunde“ heute?
Menschen aus der ganzen Bodenseeregion – aus Bregenz, Vorarlberg, Deutschland, der Schweiz; und auch aus Wien. Wir alle teilen die Begeisterung für die Festspiele und begleiten ihre Entwicklung. 80 Jahre Bregenzer Festspiele sind natürlich eine Erfolgsgeschichte, die wir gerne unterstützen. Besonders freuen wir uns über die neuen Impulse von Intendantin Lilli Paasikivi, die schon spürbar sind und noch mehr werden.
Und wer ist typischerweise im Freundeverein aktiv?
Es ist ein Querschnitt durch die Gesellschaft und alle Berufsgruppen. Kultur ist kein elitäres Thema. Unter den Förderern und Cercle-Mitgliedern sind viele, die einfach aus innerer Überzeugung unterstützen und gegenüber Politik und Gesellschaft ein Zeichen setzen wollen, wie wichtig ihnen Kultur ist. Manche tun das sehr sichtbar, andere lieber still. Wir wollen auch junge Menschen für die Festspiele gewinnen – bis 26 ist die Mitgliedschaft kostenlos. Darüber hinaus gibt es gestaffelte Mitgliedschaften – von 75 Euro im Jahr bis zu 2.000 für den Cercle. So kann jede:r mitmachen.
Sie haben das 80-Jahr-Jubiläum der Festspiele erwähnt. Dazu gibt es im August das Singalong am See, ein gemeinsames Chorsingen auf der Tribüne. Motto ist der lateinische Spruch „Alemania cantat“, der auch auf einem Grundstein des Festspielhauses steht. Was steckt dahinter?
„Die Alemannen singen“ – aber es geht nicht nur ums Singen. Es geht um das besondere kulturelle Verständnis dieser Region. Klöster, Musikvereine, Chöre, Musikschulen – die Dichte ist unglaublich hoch. Auch in kleinen Tälern wird musiziert. Das prägt uns.
Das „Orchestra in Residence“ der Festspiele kommt allerdings aus Wien: Die Wiener Symphoniker waren von Anfang an Teil der Festspiele. Wie kam’s?
Es wird erzählt, sie kamen 1946 vorwiegend wegen des guten Essens und Cognacs nach Bregenz. Vorarlberg war französisch besetzt, Wien dagegen teilweise russisch und hatte Versorgungsprobleme. Mittlerweile ist eine echte Freundschaft entstanden. Viele Musiker:innen kommen seit Jahrzehnten, fühlen sich hier zuhause. Diese Verbindung hat auch geholfen, Vorurteile zwischen Wien und Vorarlberg abzubauen.
Der Verein unterstützt die Bregenzer Festspiele auch finanziell stark ...
Ja, wir geben jährlich über 300.000 Euro – und sind damit größter Einzelsponsor. Zusätzlich haben wir einen speziellen Fonds für die Intendanz, aus dem gezielt Projekte unterstützt werden können, die sonst nicht realisierbar wären. Dank Mitteln aus diesem Fonds kann nun die experimentelle Produktion YUM! auf der Werkstattbühne umgesetzt werden. Gerade in Zeiten von Budgetkürzungen sind solche Gelder essenziell.

Was bekommen die Mitglieder zurück?
Viele exklusive Einblicke – etwa Einladungen zur Programmpräsentation oder zur Meisterklasse. Besonders beliebt: die Eröffnung der Festspiele. Die Hälfte der kostenlosen Plätze geht an unsere Mitglieder, die andere Hälfte an Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Wer Cercle- oder Fördermitglied ist, hat garantierten Zugang. Für andere gibt es ein Anmeldeverfahren, das bisher fast immer alle berücksichtigen konnte.
Warum ist diese Kulturförderung heute so wichtig?
Weil in der Kultur in Krisenzeiten oft als erstes gekürzt wird. Für uns ist sie Teil der Identität – nicht im Einzelnen für jede:n Bregenzer:in, aber im Durchschnitt schon. Dass bei der Eröffnung der Bundespräsident vor den Bürger:innen spricht, und nicht nur vor VIP-Gästen – das ist ein starkes Zeichen.
Was liegt dem Freundeverein inhaltlich besonders am Herzen?
Natürlich lieben wir das Spiel auf dem See und die Oper im Festspielhaus – uns begeistert aber speziell auch das, was abseits davon passiert: das Opernstudio, die Werkstattbühne ... neue, experimentelle Produktionen, die an Repertoirehäusern oft gar nicht möglich wären. Auch die exzellenten Gastspiele renommierter Bühnen wie des Wiener Burgtheaters sind ein riesiger Gewinn und gehören für uns dazu. Vielfalt, Abwechslung, hohe Qualität – auch in den Nischen –, das ist uns wichtig.
Greift ihr auch programmatisch ein?
Nein. Die Auswahl liegt klar bei der Intendanz. Wir geben keine Themen vor. Aber wir wünschen uns Vielfalt – und dass die Festspiele sich was trauen. Progressive und innovative Aufführungen, die nicht nur gefallen, sondern auch nachdenklich machen. Wir wollen herausgefordert werden!

Seit vier Jahren ist Judith Salzmann Vorsitzende des Freundevereins, der 1949 als Bregenzer Festspielgemeinde gegründet wurde. Damals auf der Seebühne: Johann Strauss’ Tausendundeine Nacht.
Welche Oper wünschst du dir für den See?
Ich freue mich sehr auf La traviata – die war noch nie auf dem See. Ich liebe auch Die Zauberflöte, die wir schon zweimal hatten. Aber grundsätzlich vertraue ich der Intendanz. Wir unterstützen – aber die künstlerischen Entscheidungen treffen andere.
Zum Schluss: Seht ihr euch auch als Vermittler:innen?
Unbedingt! Es ist unser wichtigster Auftrag, unsere eigene Begeisterung an die nächste Generation weiterzugeben. Der Gründungsgedanke von 1946 – Kultur als wesentlicher Teil des Lebens – ist heute so aktuell wie damals. Wir wollen, dass dieser Geist lebendig bleibt. Mit fast 2.000 Mitgliedern sind wir stark aufgestellt. Unsere Aufgabe ist es, diesen Kreis lebendig zu halten, ihn zu erneuern und weiterzutragen.
