Bregenzer

Festspielzeit

blaue illustrierte Wellen
Last change on 12. November 2025

Text: Julia Schmitt
Der Text erschien in Ausgabe 1 (11/25). 

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Der Klang der Farben

Der in Lausanne geborene Künstler Nicolas Party begleitet mit einer Auswahl seiner Werke die Bregenzer Festspiele 2026 auf Plakaten, Bannern und Publikationen und lässt zu den Bühnenproduktionen seine verzauberten Welten im Stadtraum wirken.

Person mit schwarzem T-Shirt arbeitet an einer großflächigen Wandmalerei mit grünen und weißen Farbtönen.

Wer die Kurtisane Violetta aus La traviata nicht von der Opernbühne kennt, konnte ihr schon im Kino begegnen – in Pretty Woman etwa oder in Woody Allens Match Point. Auch in der Literatur hat sie sich eine Rolle verschafft wie in Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit oder in Thomas Manns Der Zauberberg. Giuseppe Verdis Meisterwerk, 1853 in Venedig uraufgeführt, hat sich längst aus der Oper in die allgemeine Kulturgeschichte eingeschrieben, unablässig neu erzählt, neu bebildert, neu gehört. Und jede:r trägt ein Bild dieser Frauenfigur in sich. Doch wie könnte man die innere Zerrissenheit dieser tragischen Heldin Violetta heute visuell erzählen, wie ihre virtuos-ekstatischen Arien auf einem Plakat, in einem Programmheft verbildlichen?

Und wie fasst man das Universum des kuriosen Herrn Brouček zusammen – jenes kleinbürgerlichen Träumers aus Leoš Janáčeks satirischer Oper, der unfreiwillig auf den Mond reist und gleich danach in das 15. Jahrhundert stolpert, ohne je aus seinen engen Denkmustern auszubrechen? Zwar ist Brouček weniger populär als Violetta, und doch hält uns diese Operngeschichte der 20er Jahre – mit der Gleichzeitigkeit der Zeitebenen, dem Switch „Zurück in die Zukunft“ – den Spiegel unserer Gegenwart vor wie kaum ein anderer Stoff.

Selbst das facettenreiche Programm der Orchesterkonzerte, das sich als Genre zunächst jeder eindeutigen Erzählung entzieht, verlangt nach einer visuellen Sprache. Denn Bildende Kunst, Musik wie Oper teilen seit jeher ihre Fragestellungen und Motive, auch wenn sie noch heute in unterschiedlichen Kreisen der Gesellschaft zirkulieren.  

Marcel Proust schrieb dazu: „Die Musik ist vielleicht das Beispiel einer Kunst, die am tiefsten in uns einzugreifen vermag, indem sie uns neue Welten zeichnet, deren Existenz wir ohne sie nicht geahnt hätten.“ Gerade in der Musik zeigt sich, wie stark Bilder im Inneren entstehen können und wiederum Bildwelten auch einen Klang in sich tragen – ein Topos, der in Nicolas Partys Werk eine visuelle Entsprechung findet.

Der in New York und Brüssel lebende Künstler denkt seine Gemälde oft als Bühnenräume. „Ich bin tief von den Bühnenkünsten angezogen“, bekennt er, „und betrachte die Leinwand wie ein Bühnenbild, in dem Perspektiven flach werden, Licht und Formen aber dramatisch wirken“. So wie häufig Opern in seinem Studio erklingen, atmen auch seine Bilder jene theatralische Spannung zwischen Maskierung und Offenbarung. Party erschafft in seinen Kunstwerken eine Sprache, in der die Farben scheinbar klingen und gleichzeitig als Träger von Geschichten und Emotionen dienen – rätselhaft, zugleich zurückgenommen und expressiv. Seine Porträts und Landschaften wirken wie Masken, wie Kulissen, wie Figuren, die auf ihren Einsatz warten und sich gleichzeitig in einer zeitlos fremden Welt bewegen. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Oberfläche und Innenleben, Maske und Wahrheit, Leben und Tod, ist ein Kern seines Werkes.
 

Illustration einer Frau mit dunklem Haar, umgeben von großen rosa Lotusblumen mit gelben Samenständen

Portrait with Lotus Flowers (2024) versetzt die Betrachter:innen in eine entrückte, symbolische Welt. Die zentrale Figur erscheint nicht als individuelles Gesicht, sondern als maskenhafter Archetyp. Die pinken Blumen umranken ihren stechenden Blick und stehen für Vergänglichkeit und die Zerbrechlichkeit ihrer Liebe. Ein Bild als Ikone, das Violettas Tragik neu übersetzt.

Zwei Männer in schwarzen Hüten und weißen Hemden stehen sich mit Profilen gegenüber vor blauem Himmel mit Wolken

Face to Face (2018) wiederum scheint direkt aus Janáčeks Oper entsprungen. Zwei Köpfe, gespiegelt, leuchtend, reduziert, die in ihrer puren, flächigen Malweise an surrealistische Werke René Magrittes erinnern. Sie wirken wie eine Art malerischer Kommentar zu Broučeks Abenteuern: ein Bild der Verdopplung und Selbstverblendung, das die Ironie und Groteske der Oper in stiller, visueller Form nachzeichnet.

Illustration von stilisierten Bäumen mit runden und spitzen Kronen unter einem Vollmond in einem violetten Nachthimmel

In Bezug auf ein Konzertprogramm könnte man Trees (2019) als visuelles Pendant zur Musik verstehen: Bäume isoliert im Bildraum, losgelöst von Zeit und Ort, wie abstrakte Figuren einer Bühne. Ähnlich wie ein Konzert aus einzelnen Sätzen, Themen oder Klangfarben besteht, entfaltet jedes Baum-Motiv seine eigene Stimmung: heiter, geheimnisvoll, melancholisch oder feierlich. Die Reduktion und Überhöhung in Partys Malweise erinnert an die kompositorische Verdichtung in der Musik, aus der in einzelnen Motiven große Spannungsbögen entstehen.

Nicolas Partys Kunstwerke öffnen Räume, in denen Oper, Konzert und Bildende Kunst ganz selbstverständlich ineinandergreifen. Sie verdichten Atmosphären, verweben Geschichten und verwandeln die Realität in ästhetische Erfahrung, in ein zeitloses Symbol.