Bregenzer

Festspielzeit

blaue illustrierte Wellen
Aktualisiert am 27. Juni 2025

Text: Jutta Berger
Der Text erschien in Ausgabe 3 (06/25). 

Lesezeit 3 Min.

Ein bisschen Fun-House, ein bisschen Prater

Unkonventionell und fantasievoll präsentiert sich die Bühne für Gioachino Rossinis Opernmärchen La Cenerentola. Eine reizvolle Aufgabe für das Team der Ausstattung.

Pferdekopf einem Rummelplatzpferds in der Werkstatt der Bregenzer Festspiele

Nostalgischer Rummel oder ein Fun-House in Pop-Art? Aschenputtel oder Alice im Wunderland? Willy Wonka oder Alidoro? La Cenerentola in der Inszenierung der britischen Regisseurin Amy Lane ist nicht Entweder-oder, sondern alles in einem. Anna Reid hat für die Bühne am Theater am Kornmarkt ein buntes Bild für Rossinis Opera buffa entworfen, das nichts mehr mit Ofenasche, Palast und Glaspantoffeln zu tun hat.

Buntes Figuren-Potpourri

Ein groß angelegtes Schachbrettmuster zieht sich über Boden und Wände. Gebrochen wird die strenge Geometrie durch Zuckerlfarben und perspektivische Verzerrungen. Schminktischlampen und Leuchtschriften blinken. Auf dem Schachbrett tummeln sich bunt gekleidete Figuren, von der jede einen „Zwilling“ hat, erkennbar an Farbe und Muster. Auch in den Kostümen findet sich das Muster wieder. „Eine besondere Herausforderung für unsere Schneider:innen“, betont die Ausstattungsleiterin der Bregenzer Festspiele, Susanna Boehm, „denn der Stoff muss exakt dem streng geometrischen Muster folgen.“

Für ihre Inszenierung holt sich Amy Lane die Märchenfiguren aus Cenerentola in die Fantasywelt. Alidoro, Lehrmeister des nach einer Frau suchenden Prinzen, wird zum weisen Alten, zum Herrn über die Zeit und Kämpfer für Gerechtigkeit. Cenerentola ist eine Reinigungskraft, die zur Traumfrau von Prinz Ramiro wird. Der begehrte Junggeselle ist von der Glitzerwelt gelangweilt. Ramiro will kein Celebrity-Adeliger mehr sein, sondern ein innovativer Staatsmann. Don Magnifico, der Stiefvater der schönen und klugen Cenerentola und Vater der ausgekochten Zwillingstöchter Tisbe und Clorinde, ist der weinselige Jahrmarkt-Wahrsager. Die Zwillinge sind die Personifikation der Oberflächlichkeit und versuchen – getrieben von Gierden Prinzen für sich zu beanspruchen. Und schließlich fegt da noch Dandini, bester Freund von Ramiro, als Partymensch und Spaßmacher über die Bühne.

Bevor das Ganze aber realisiert ist, vergehen Monate des Überlegens, Diskutierens und Kalkulierens im Festspielhaus. „Das Leading-Team macht im Herbst des Vorjahres einen ersten, noch nicht gänzlich ausgearbeiteten Vorschlag“, schildert Ausstattungsleiterin Susanna Boehm das Prozedere. Dann wird dieser Entwurf auf Realisierbarkeit geprüft. „Die Umsetzung künstlerischer Ideen ist immer ein langwieriger Prozess, der Dynamik des Produktionsablaufs geschuldet“, sagt Boehm. Zu Ende ist dieser Prozess oft erst bei der Orchesterhauptprobe, wenige Tage vor der Premiere. „Denn manchmal stellt sich erst während der Proben heraus, dass ein Kostüm oder ein Requisit nicht funktioniert.“ Sie nennt ein Beispiel: „Stellen Sie sich vor, ein Kostüm verheddert sich immer wieder in einer Leiter, welche die Sängerin hochklettern soll. Da muss dann entschieden werden, ob entweder das Kleid oder die Leiter umgearbeitet werden.“

Kostümentwurf des Angelina Kostüms

Kostüm der Figur Angelina aus La Cenerentola – Bunte Farben und geometrische Muster ziehen sich durch die Entwürfe von Anna Reid.

Bei La Cenerentola ist die Ausstattung besonders fantasievoll, das Publikum soll in eine wundersame Welt der Illusionen entführt werden. Ein wesentlicher Teil der Arbeit ist die Suche und die Herstellung der Requisiten. Wie aus einem Karussell längst vergangener Zeiten taucht beispielsweise ein Eselchen im Glitzerlook mit Federboa auf. Gefunden wurde es als hölzernes Karussellpferd auf einer virtuellen Trödelplattform. Herausgeputzt in den Werkstätten der Bregenzer Festspiele wandelte sich das schäbige Holzpferdchen zu einem Bühnenesel. Eyecatcher wird die Achterbahn, ein Symbol für das Auf und Ab im Leben der Bühnenfiguren. Da wir aber mehr bei Willy Wonka als im Wiener Prater sind, spricht man bei La Cenerentola von einem „Roller Coaster“. Da die Bühne im Theater am Kornmarkt zu klein für eine ganze Bahn ist, wird sie durch einen einzelnen Wagen symbolisiert.

Anna Reid (Bühne und Kostüm) mit dem Modell der Achterbahn. Bunte Farben und geometrische Muster ziehen sich durch ihre Entwürfe.

Der Wagen wird in den Werkstätten der Bregenzer Festspiele gebaut. Bevor Tischlerin Shantira Kosol die CNC-Fräse betätigt, um aus Holzplatten die Teile dafür zu schneiden, fertigt sie eine maßstabgetreue 3D-Zeichnung. „Der Wagen muss Platz für sieben Personen bieten, das heißt, er muss recht groß werden und dennoch auf die relativ kleine Bühne passen“, beschreibt Kosol die Herausforderung. „Deshalb wird der Wagen mit einer starken Neigung gebaut, fast wie eine Treppe. So sind alle Personen gut sichtbar.“ Hat die Tischlerin ihre Arbeit beendet, gehen die Spezialist:innen der Kaschur ans Werk und geben dem Wagen Farbe, die Lichtabteilung sorgt für Lampen.

Anna Reid (Bühne und Kostüm) mit dem Modell der Achterbahn. Bunte Farben und geometrische Muster ziehen sich durch ihre Entwürfe.

Budenzauber bis ins letzte Detail

Was wäre ein Rummel ohne die vielen leuchtend bunten, glitzernden und klebrigen Kleinigkeiten? Zuckerwatte, Zuckerstangen, Popcorn – alles knallig und schreiend – werden angepriesen. Eintrittstickets ins farbenfrohe Geschehen des Fantasielands gibt es wie früher aus einem Galoppwechsler. „Dieser Begriff war mir auch nicht geläufig“, lacht Susanna Boehm.

Solche Geräte werden ältere Besucher:innen vielleicht noch von Zug- und Tramfahrten in Erinnerung haben. Den Wechsler hatte der Schaffner in einer Ledertasche umgehängt, um darin penibel die unterschiedlichen Münzen zu ordnen. Dazu brauchte er noch eine Rolle für die Abrisskarten. „Genau so ein Gerät mit Ticketrolle wollte unsere Regisseurin. Leider war kein Gebrauchtes aufzutreiben, nun bauen wir es selbst“, verweist Susanna Boehm auf die hauseigene Werkstatt. 

Die Tickets für die Aufführung von La Cenerentola sind aber wie immer am Kartenschalter und online erhältlich. Die Produktion des Opernstudios der Bregenzer Festspiele in Kooperation mit dem Gesangswettbewerb Neue Stimmen der Liz Mohn Stiftung ist an vier Abenden im Theater am Kornmarkt zu sehen.
 

La Cenerentola
Gioachino Rossini

 

12. August 2025 - 19.30 Uhr Premiere
13., 15., 16. August - 19.30 Uhr
Theater am Kornmarkt